Zur Illustration unseres Kompetenzfeldes Lebenswissenschaften finden Sie im Folgenden zwei kurze Beschreibungen von Projekten, die zur Zeit auf dem HLRN-Supercomputer laufen. Die Liste aller zurzeit laufenden HLRN-Großprojekte enthält Links zu weiteren Projektbeschreibungen.
Das Verhalten von Lipidmembranen ist von großer Bedeutung für eine weites Spektrum von biologischen Prozessen. Membrane dienen zur Trennung von bioorganischer Materie und erlauben somit die Organisation von lebenden Organismen in Zellen und unterzelluläre Strukturen. Ein Einblick in diese zellulären Mechanismen ist wichtig für ein detailliertes Verständnis von Störungen, welche möglicherweise zu Erkrankungen Anlass geben.
Im Allgemeinen müssen Lipidmembrane geregelte Änderungen ihrer Topologie durchlaufen, um ihre vielfältigen Funktionen auszuüben. Diese kollektiven Änderungen der Membrangestalt – wie etwa die Porenbildung, Vereinigung und Abschnürung von Vesikeln oder Vakuolen – sind grundlegende Prozesse in lebender Materie. Sie werden durch eine ausgefeilte Maschinerie von Proteinen sorgfältig reguliert und involvieren typischerweise stark gekrümmte Membrankonfigurationen. Die Beschreibung dieser Topologieänderungen verlangt es, Membrane als komplexe Fluide aufzufassen, welche unter dem Einfluss thermischer Fluktuationen ihre Gestalt ändern.
Das Ziel unserer Untersuchungen ist es, die Rolle starker Krümmung auf die Struktur und kollektive Dynamik von biologischen Membranen von der molekularen Ebenen bis hin zu einer Kontinuumsbeschreibung zu verstehen. Die Längen- und Zeitskalen dieser Prozesse – Mikrometer und Mikrosekunden – liegen oft außerhalb von experimentellen Techniken. Computersimulationen von Modellen unterschiedlichen Vergröberungsgrades helfen uns, essentiellen Aspekte dieser wichtigen und faszinierenden Prozesse zu identifizieren und liefern einen intuitiven Einblick in die molekulare Welt der Membrane.
Das rationale Design von Medikamenten erfordert ein Verständnis der Wechselwirkungen, welche die Bindung der Wirkstoffe und ihre Effekte beherrschen. Im HLRN-Projekt verwenden wir atomistische Simulationen um die Wechselwirkung zweier für die Wirkstoffentwicklung interessante Moleküle zu beschreiben: Photoschaltbare Lipide, mit denen Ionenkanäle durch Licht aktiviert werden können, und Fentanylverbindungen, die zur gezielten Schmerzbehandlung in entzündetem Gewebe verwendet werden können.
Photoschaltbare Lipide sind kleine synthetische Moleküle, die ihre Konformation bei Lichtabsorption verändern und eine sog. Photoisomerisierungsreaktion durchlaufen. Da diese Konformationsänderung mit einer Änderung des lateralen Membrandrucks einhergeht, können photoschaltbare Lipide das Öffnen und Schließen solcher Ionenkanäle steuern, die diese Druckänderung spüren. Ein molekuares Bild der Ionenkanäle bei der Wechselwirkung mit Membranen zu haben, die photoschaltbare Lipide enthalten, wäre ein entscheidender Schritt dahin, die Reaktion von Ionenkanälen auf lateralen Druck zu verstehen und könnte die Gestaltung neuer photoschaltbare Lipide, die auf bestimmte Ionenkanäle zugeschnitten sind, beeinflussen.
Opioide sind Wirkstoffmoleküle, die an in der Zellmembran eingebettete Rezeptoren, sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) binden. Während sie bei der Schmerzbehandlung effektiv sind, haben Opioide den Nachteil, dass sie ein hohes Suchtpotenzial besitzen. Diese Einschränkung könnte umgangen werden, indem Wirsktoffmoleküle verwendet werden, die ausschließlich and GPCRs in entzündetem Gewebe bei niedrigem pH-Wert binden. Im HLRN-Projekt verwenden wir quantenmechanische Berechnungen um die elektronische Struktur opioider Wirkstoffmoleküle zu charakterisieren und klassische Mechanik um das Antwortverhalten der GPCRs auf das Binden der Opioide zu erforschen. Eines der von uns untersuchten Opioidmoleküle kann seinen Protonierungzustand ändern und wir beabsichtigen seine protonierungsabhängige Bindung an den Rezeptor zu beschreiben. Wir erwarten, dass die Ergebnisse dieser Arbeit über die intermolekularen Wechselwirkungen aufklären werden, die die Wirkstoffbindung bei physiologischem und niedrigem pH-Wert beinflussen.